Bertolt Brecht
In Erwägung, daß da Häuser stehen
Während ihr uns ohne Bleibe laßt
Haben wir beschlossen, jetzt dort einzuziehen
Weil es uns in unsern Löchern nicht mehr paßt.
aus der Resolution der Kommunarden
Zu Beginn der 1980er Jahre rappelt es in jeder größeren Stadt gewaltig. Hunderte leerstehende Häuser und Wohnungen werden nach Großdemonstrationen oder kleinen nächtlichen Aktionen den EigentümerInnen weggenommen und von HäuserkampfaktivistInnen und Bewohnergruppen instandbesetzt, renoviert und endlich wieder bewohnt. Auch hier in Düsseldorf gab es vernetzte Gruppen und Stadtteilinitiativen, die schon jahrelang sehr aktiv gegen SpekulantInnen, gegen Wohnungsleerstand und gegen eine völlig falsche Stadtentwicklung kämpften.
Wem gehörte damals die Stadt? Na klar – uns!
Nach einer Häuserkampfdemo am 10. 01. 81 ist es dann soweit. Die V 41 wird in Besitz genommen und als Stadtteilzentrum genutzt. Im Laufe der nächsten Monate werden in den Stadtteilen Bilk, Benrath, Lichtenbroich und Derendorf 12 leerstehende Häuser besetzt und wieder ihrer ursprünglichen Wohnnutzung zugeführt. AktivistInnen und Häuserräte hatten nach intensiver Recherche ein „Schwarzbuch – Düsseldorfer Wohnungsleerstand“ mit fast 600 leeren Häusern und Wohnungen herausgegeben und den politischen Boden damit gut vorbereitet.
Nach Räumungen, Schuttaktionen, flächendeckenden Flugblattaktionen, Wiederbesetzungen und Demonstrationen ist Mitte des Jahres in der Stadt ziemlich viel Druck auf dem Kessel.
OB Kürten und die Stadtverwaltung versuchen eine Entlastung und bieten dem Vorstand der „Aktion Wohnungsnot“ im Sommer 81 Wohnraum mit Nutzungsvertrag für 60 Personen in 4 Häusern K1, K5, K13 und K17 auf der völlig heruntergekommenen Kiefernstrasse in Flingern/Oberbilk an. Nach einer Belegungsversammlung mit weit über 100 BewerberInnen ziehen noch in der gleichen Nacht die ersten Familien mit ihren Kids in die K 1 ein.
Weitere leerstehende Wohnungen auf der „ungeraden“ Seite werden der AWN vom Liegenschaftsamt zugesagt. Aber es tut sich nichts mehr! Da bei Verhandlungen am 22 September klar wird, dass die Stadt diese Zusagen nicht einhalten will, beziehen die restlichen 40 BewerberInnen danach spontan 16 leerstehende Wohnungen und beginnen mit der Renovierung.
Nachdem ein Räumungsultimatum verstreicht, bricht Liegenschaftsdezernent Bolo Mayweg am 3. Oktober 81 jeden Kontakt mit der AWN ab. Da die AWN zu diesem Zeitpunkt bei der Umsetzung städtischer Abrisspläne nicht mehr den Handlanger der Stadt machen will, wird sie einfach kaltgestellt.
1982 werden die Abrisspläne für die Wohnhäuser an der Kiefernstrasse im Stadtrat und in der Bezirksvertretung 2 bestätigt und in der Folge der neue Gewerbebebauungsplan von der Bezirksregierung genehmigt.
Auf der Kiefern werden nach und nach alle leerstehenden Wohnungen auf der ungeraden Seite belegt, zugemauerte Fenster aufgestemmt, Toiletten und Wohnungen renoviert und wo möglich, Bäder eingebaut oder elektrisiert.
Da wir 1984 mit über 200 NeubewohnerInnen zwischen ca. 800 AltmieterInnen aus über 40 Nationen leben, gestaltet sich das Zusammenleben nicht immer einfach.
Wir setzen dem Chaos behutsame und vorsichtige Versuche der Selbstorganisation mit Gesprächen, Treffen, Hausversammlungen und einem Strassenplenum entgegen. Nicht ein Verein oder eine andere juristische Konstruktion mit Vorsitzenden und Nachsitzenden, sondern die gemeinsame Verantwortung für die Belange aller BewohnerInnen, eine ständige Kommunikation, solidarische Unterstützung und gegenseitiges Vertrauen sind in den ersten Jahren Eckpfeiler und Marksteine der Kiefern. Hinzu kommen natürlich Unberechenbarkeit, Sturheit, Unbeugsamkeit und immer eine gute Portion Frechheit.
Nach den Kommunalwahlen 1984 gibt es dann plötzlich in der Stadt und in der BV 2 neue politische Mehrheiten und vorsichtige Gespräche zwischen den Beteiligten.
Die BV 2 verwirft den Abrissbeschluss von 1982 und fordert den Erhalt. Der damalige Oberstadtdirektor setzt den Abriss der Häuser vorerst aus und die Sozialdemokratie spricht zum ersten Mal von „sozialer Stabilisierung“ und „vollkommener Sanierung“ der Strasse.
1986 ist für die Kiefern ein sehr schwieriges Jahr. Nach Festnahmen in Rüsselsheim gerät die Kiefernstrasse bei der nationalen Suche nach Unterstützern der RAF den Fahndern ins Visier.
Auf dem Höhepunkt der Repression findet eine Razzia mit über 800 Polizisten statt. Dies wird in der Presse groß ausgeschlachtet. Nach mehreren Festnahmen in Düsseldorf springt besonders die NRW – CDU auf diesen Zug auf, konstatiert im Landtag „eine Blutspur des Terrorismus bis in die Kiefernstrasse“ und fordert „die sofortige Räumung der Terroristen“.
BILD und EXPRESS titeln damals etwa so:“ HASCH – WAFFEN – RAZZIA, aber die Kiefern feiert!“ Sie meinen wohl die Solidaritätsfeste in der K 1, unsere Transparente und die Infoveranstaltung, die der „Unterstützerkreis“ unter dem Slogan „Kein Abriss der Kiefernstrasse“ im ZAKK veranstaltet haben. Trotz Räumungs- und Abrisspropaganda blieb ein dünner Gesprächsfaden mit Politik und Verwaltung weiterhin bestehen.
3 Architektengutachten über die Kosten der Sanierung einzelner Häuser und Gespräche über einer Dachsanierung der verbrannten K 23 mündeten 1988 in direkte Mietvertragsverhandlungen mit dem Sozialdezernenten Saatkamp. Das ist der Weg der „Sozialdemokratischen Befriedung“ schimpften einige. Ist klar, aber unsere Forderungen nach langfristigem Erhalt der Strasse, unser wunderbarer Mietvertragsentwurf und die Anrechnung der selbst erbrachten Renovierungsleistungen auf den zu zahlenden Mietpreis wurden von der Gegenseite erfüllt.
Nach der Beschreibung der „Kiefernstrasse als Wohngebiet mit der schärfsten sozialen Problematik in Düsseldorf“ beschließt der Stadtrat im Juli 1988 mit den Stimmen von SPD und Grünen den Erhalt für mindestens 10 Jahre und im November 1988 segnet der Liegenschaftsausschuss unsere einseitig unterschriebenen 40 Mietverträge für Hausgemeinschaften, Einzelpersonen oder Wohngemeinschaften auf der Kiefernstrasse bis ins Jahr 1998 ab. 1998 verlängert die Stadt dann diese Verträge zu gleichen Bedingungen um weiter 10 Jahre bis 2008.
Und hier noch eine Perle aus den Tiefen unseres Archivs: Die erste Kiefernstraßen Dokumentation von 1986
Bildquellen: K.Michels; L.Schönenberg; R.Bonsink